Heute Haar, morgen dort
Ein Darin - Solo
Prolog
Gerade habe ich mich mit Darin unterhalten. Er hat mir den Inhalt eines
kleinen Zwischenfalls erzählt, der ihm vor wenigen Tagen zugestoßen
ist, und ich möchte seine Geschichte hier niederschreiben. Die Ereignisse
haben sich nicht an zusammenhängenden Tagen ereignet. Sie waren daneben für
unseren Zwergen etwas unangenehm, so daß er mich bat, diese Aufzeichnungen
möglichst nicht publik zu machen. Nur eine weitere Person aus Roch hat
eine noch peinlichere Erfahrung gemacht, der Zwergenschmied Dwalin...
Doch der Reihe nach.
Roch, 8.8.2967
Nach einer Nacht, die durch ein fröhliches Trinkgelage mit Geschäftsfreunden etwas zu lang geworden war, entschloß sich ein müder Darin, die Kopfschmerzen mit Arbeit an der Schmiede auszutreiben. Kirel, der Lehrling, hatte das Schmiedefeuer gerade entfacht.
Nachdem Darin eine Weile gearbeitet hatte geschah etwas merkwürdiges - stand der Zwerg eben noch auf dem Steinboden seiner Schmiede, so fand er sich ein Augenzwinkern später auf einem Weg aus festgestampfter Erde wieder. Hatte sein Blick auf dem Feuer gelegen, so schaute er nun direkt in die Gesichter von drei abgerissenen Rohlingen vom Archetypus Wegelagerer. Darin hatte keine Zeit zum Überlegen - eine Stimme aus dem Hintergrund befahl ihm, sich auf die drei zu stürzen. Zwei der drei Briganten kamen ihm jedoch zuvor. In dieser Situation zeigte sich, daß selbst für einen kampferprobten Schmied in schwerer Lederkleidung und mit einem Schmiedehammer bewaffnet der Kampf gegen eine Überzahl schwer ist. Trotz heldenhafter Verteidigung war sein Körper innerhalb weniger Kampfrunden mit stark blutenden Wunden gezeichnet. Hätte nicht ein unbekannter Shockbolt - Schütze aus dem Hintergrund erfolgreich mitgeholfen, wer weiß, was passiert wäre. So wandten sich die Räuber aber wegen der starken Gegenwehr zur Flucht, und bevor Darin wußte, wie ihm geschah, befand er sich wieder in seiner Schmiede. Kirel, der ihn auftauchen sah, war einer Panik nahe. Morgan, der herbeigerufene Verwalter der Schmiede, bewahrte aber Ruhe, half Darin und schickte Kirel erst mal nach Hause.
Darin verband seine Wunden und begann sofort Nachforschungen über die Ursache dieses merkwürdigen Zwischenfalls einzuleiten. Er fand aber keine Hinweise. Die Bemerkung Arags ''Was arbeitetst Du auch in der Schmiede, Du solltest am Schreibtisch des Handelshauses sitzen und für mich Geld verdienen!'' verbesserte die Laune des Zwerges auch nicht gerade!
Voll bewaffnet ging er am Abend ins Bett, doch in der folgenden Woche sollte nichts außergewöhnliches mehr passieren...
Roch, 12.8.2967
Der Morgen dieses Tages meldete unserem Schmied den Anflug einer schweren Erkältung. Am Vortag war er auf freiem Feld von einem Gewitterregen überrascht worden. Da ein Geschäftsmann keinen Schnupfen gebrauchen kann, plante Darin einen raschen Besuch beim Apotheker Alrond ein. Bei einer kleinen Pause passierte es jedoch - Darin wollte sich gerade ein Scheibe Brot abschneiden, als er sich auf einem Baumstumpf sitzend neben einem Brunnen wiederfand. Einige Meter entfernt war eine kleine Hütte. Aus einem Fenster konnte Darin den Kopf eines Zwergen erkennen. Letzterer bat Darin, aus dem Brunnen einen Eimer Wasser zu schöpfen und ins Haus zu bringen. Obwohl Darin sich wunderte, kam er jedoch dem Wunsch des Zwergen nach. Jetzt konnte unser Schmied auch die Gegend etwas betrachten. Lockerer Baumbestand schien einen großen Wald gegen die Ebene abzugrenzen. Auch das Innere der Hütte konnte er beim Absetzen des Eimers in Augenschein nehmen. Alchimistische Kleinigkeiten standen auf zahlreichen Regalen an den Wänden, und eine dicke Kröte hockte in der Ecke.
Bevor Darin jedoch den anderen Zwergen in ein Gespräch verwickeln konnte, veränderte sich die Szenerie, und Darin war in seinen vier Wänden. Das Brot und das Brotmesser waren jedoch zurückgeblieben...
Da Darin nur äußerst ungerne Befehle entgegennahm, und ihm sein rätselhafter 'Auftraggeber' immer unsympathischer wurde, begann erneut eine Suche nach den Gründen dieser seltsamen Transporte. Darin hatte jedenfalls keine Lust, bis ans Ende seiner Tage als Dienstbote quasi 'auf Abruf' nach Belieben einem Unbekannten zur Verfügung zu stehen. Bei einiger Überlegung war sich der Schmied wenigstens sicher, daß dieser Unbekannte kein echter Zwerg war, denn er hatte Westron ohne den Funken eines zwergischen Akzentes gesprochen. Doch wo waren sich Darin und der falsche Zwerg nur begegnet...? Diesesmal dauerte es nur fünf Tage bis zum nächsten Zwischenfall.
Roch, 17.8.2967
Der Tag war schön und heiß gewesen. Darin hatte bei einem Köhler in einem nahegelegenen kleinen Waldstück eine Ladung Holzkohle abgeholt und saß nun ziemlich ermüdet neben dem Köhler auf dem Kutschbock des Kohlenkarrens auf der Heimfahrt. Nur ein winziges Flimmern, und der Zwerg befand sich wieder auf der kleinen Lichtung, die er nun schon kannte.
Einige Meter entfernt konnte Darin den falschen Zwergen in einem Kräuterbeet hocken sehen. Bei Darins Erscheinen schob die Figur schnell einen Gegenstand hinter einen nahen Baum und sprach Darin an: ''Ah, der edle und hilfreiche Zwerg. Helft mir doch bitte, diese dicke Wurzel aus meinem Beet zu ziehen.'' Widerwillig, und doch unfähig, sich dieser Bitte zu entziehen, ging Darin an die Arbeit. Und tatsächlich, nach einigen Rucken löste sich (leider) die Wurzel. Immerhin konnte unser Zwerg einige Beobachtungen machen. Südwestlich waren am Horizont Berge auszumachen. Nördlich war etwa eine Meile entfernt ein Fluß zu sehen. Und östlich begann offenbar ein dichter Wald. Ein rascher Blick eröffnete Darin außerdem, daß sein 'Auftraggeber' versucht hatte, eine kleine Duftschale mit einer Kerze darunter vor seinem 'Gast' zu verstecken.
Auch diesesmal dauerte es nur wenige Augeblicke, bis Darin wieder neben dem zu Tode erschreckten Köhler saß.
Immerhin konnte sich der Schmied jetzt daran erinnern, woher er die seltsame Figur kannte, die ihm die unliebsamen Befehle erteilte - vor etwa einem halben Jahr hatte er sich in Roch bei einem durchreisenden Zwergenfrisör den Bart stutzen lassen. Offenbar war dieser vermeintliche Zwerg ein kleingewachsener Mensch gewesen. Wie dieser es jedoch schaffen konnte, Macht über Darin zu bekommen, blieb erst einmal unklar.
Darin suchte zunächst den anderen Zwergenschied Rochs, Dwalin, auf. Auch dieser war Kunde des ominösen Frisörs gewesen. Ihm war etwas ähnliches zugestoßen, nur noch ein bißchen peinlicher - er hatte die Latrine des 'Barbiers' ausheben müssen und war entsprechend wütend. Doch Dwalin hatte auch keine Ahnung, in welche Richtung man nach dem Schuldigen suchen müsse.
Darin beschloß nun, eine Karte zu Rate zu ziehen, um aus den erkannten Geländemerkmalen den Ort zu finden, wo der falsche Zwerg seine Hütte hatte. Eine Stelle am westlichen Rand des Schneebornwaldes paßte zu Darins Beobachtungen. Der Schmied verlor keine Zeit und machte sich am nächsten Morgen auf den Weg.
Schneebornwald, 20.8.2967
Am Abend des 19.8. war der Schneebornwald erreicht, so daß sich Darin früh am Morgen des 20. auf die Suche nach der Hütte machen konnte. Schon nach kurzer Zeit hörte er spitze Schreie um Hilfe. Darin hatte sein Ziel gefunden - und offenbar waren zwischenzeitlich die Banditen zurückgekehrt, mit denen unser Zwerg schon vor einiger Zeit Bekanntschaft gemacht hatte. Sie hatten den Bewohner der Hütte überrascht und waren gerade dabei, ihm durch Faustschläge und Fußtritte die Verstecke seiner bescheidenen Reichtümer zu entlocken. Darin machte sich unsichtbar und ließ die Räuber eine Weile gewähren (immerhin befriedigte das auch seine eigene Rache gegen seinen Quälgeist). Dann schläferte der Zwerg zwei der drei Räuber durch gelungene Zauber ein und legte seinen ganzen Zorn in einen 'finalen Rettungsschlag' gegen den verbliebenen Banditen - Exitus.
Der Barbier, der schon in einer schlechten Verfassung war, fürchtete auch einen Racheakt des Zwergen und war so verzweifelt, daß er einen Shockbolt auf Darin feuerte. Dieser nahm zum Glück keinen Schaden und schaffte es, den kleingewachsenen Mann durch massive Drohungen mit dem Morgenstern bei gleichzeitigen beruhigenden Worten zum Reden zu bringen.
Es stellte sich heraus, daß der Verantwortliche für Darins Ausflüge Cervate hieß und als Zwergenbarbier 'verkleidet' durch die Lande streifte. Cervate war es als Krönung seines Lebenswerkes gelungen, den 'deamon summoning' Spruch zu erlernen. Er hatte aber viel zu viel Angst vor Dämonen, und so forschte er so lange, bis er eine Möglichkeit fand, den Zauber auf Menschen (und Zwerge...) anzuwenden. Mit diesem Spruch konnte er eine Person herbeirufen und ihr einen Befehl erteilen. Dazu benötigte er jedoch Teile vom Körper dieser Personen, z.B. Haare, die er in seinem Tarnberuf als (übrigens recht guter) Barbier ohne weiteres bekam. Allerdings war der Zauberspruch so schwach, daß er nur auf Darin wirken konnte, wenn dieser erschöpft oder krank war.
Cervate hatte außer seiner Kröte (''ooak'') keine Freunde und war auch nur ein sehr mittelmäßig begabter Alchimist. Darin hatte Mitleid mit dem Menschen und sah von weiteren Aktionen ab. Cervate versprach hoch und heilig, den entsprechenden Zauberspruch nie wieder anzuwenden. Er will seine Kraft nun für die Erschaffung eines selbstfegenden und wassertragenden Besens verwenden und das Geld dafür mit ehrlicher Arbeit (Haareschneiden...?) verdienen.
Bleibt zu sagen, daß Darin ihn nach Roch einlud (wo Cervate nach seiner Begegnung mit den Banditen dringend einen Medicus Dentus aufsuchen muß). Dwalin muß die Wahrheit verschwiegen werden, und auch die Leser dieser Zeilen werden gebeten, ihn nicht aufzuklären...
Epilog
Eine abschließende Bemerkung kann ich mir doch nicht verkneifen -
als ich diese Geschichte hörte, mußte ich an einen Spruch Bratars denken,
der vor einigen Monaten meinte: ''Bei Zwergen gibt es kein 'hübsch' und
'häßlich', man kann höchstens einen schlechten Frisör haben...''.
Aufgeschrieben von Elrond Elchtep
zu Caldraugh
im Jahre 2967.